Vonzo - Vallone di Vassola - Biv. Genisio - Laghi d'Unghiasse - Pian delle Riane - Alboni
Eindrückliche Zweitageswanderung im Val Grande di Lanzo auf teils rauhen und steinigen Wegen. Die Tour ist streckenweise identisch mit der vorherigen, hier jedoch mit einer anderen Abstiegsroute, mit weniger Höhenmetern und dementsprechend kürzeren Gehzeiten am zweiten Tag.
Vor der Wanderung lohnt ein kurzer Spaziergang durch die verwinkelten Gassen von Vonzo. Nach dem Zusammenbruch der Berglandwirtschaft leben in dem sehenswerten Dorf nur noch eine handvoll Menschen, die meisten der oft mit grossem Aufwand restaurierten Bauernhäuser sind nur noch am Wochenende oder in den Ferien bewohnt. Im Ort gibt es ein kleines und urgemütliches Gasthaus, in dem man einkehren kann.
Von Vonzo (1232 m) wandert man zunächst auf einem für den öffentlichen Verkehr gesperrten Alpsträsschen zu dem kleinen Weiler Chiappili (1439 m), eine ehemalige Sommersiedlung. Auch dort sind in den letzten Jahren viele der Hütten wieder hergerichtet worden, von der historischen Cappella di San Vito hat man eine schöne Aussicht auf das Val Grande di Lanzo mit seinen Bergen. Von Chiappili folgt man den Wegweisern und geht auf gutem Pfad über die Weiden hinauf zur Alpe Piannu (ca. 1540 m). Kurz darauf stösst man auf einen unbefestigten Fahrweg, auf dem man in einer Viertelstunde zur Alpe Vassola di sotto (1617 m) geht, ein malerischer Ort mit einigen verstreuten Alphütten auf einer kleinen Hochebene. Hier lohnt ein kurzer Abstecher zur Ponte di Vassola, eine sehenswerte historische Steinbrücke, die über den gleichnamigen Bach führt. Auf einem wunderschönen alten Alpweg wandert man nun durch das im unteren Talabschnitt schluchtartige Vallone di Vassola, das Rauschen des nahen Bergbaches begleitet einen auf Schritt und Tritt. Die herrlich gelegenen Alpe Balmot (1889 m) lädt unterwegs zu einer längeren Rast ein. Etwas oberhalb der Hütten überquert man den im Frühsommer reissenden Rio Vassola und steigt nun auf dessen orografisch rechten Seite weiterhin bergauf. Nach den Ruinen der Alpe Rossa di sotto (2093 m) wird der Weg flacher, der stets gute und eindeutige Pfad führt über ebene, von eiszeitlichen Gletschern glattgewaschene Felsplatten und überwindet eine Engstelle. Schliesslich weitet sich das Tal und man erreicht die riesige Hochebene der Alpe Vailet (2232 m) mit dem im Jahr 2019 neu errichteten Bivacco Genisio. Ein Ort zum Entspannen und Innehalten. Darüber hinaus lohnt es sich, das weite und liebliche Hochtal in der Umgebung der Hütte ein wenig näher zu erkunden, es gibt viel Schönes zu entdecken – oder man badet einfach nur seine Füsse im eiskalten Rio Vassola und geniesst dabei die friedliche Stille.
Am nächsten Morgen geht es weiterhin bergauf, der bisher gute Weg wird steiniger und an manchen Stellen mühsam. Am 2666 m hohen Colle della Terra d‘Unghiasse erwartet einen die Belohnung für den schweisstreibenden Anstieg, das Panorama ist atemberaubend. Bei klarem Wetter reicht die Sicht von der Tiefebene bis zum Alpenhauptkamm mit dem Dreigestirn der Levanne (3619 m). Vom Pass sieht man bereits das nächstes Ziel, den Lago d‘Unghiasse (2468 m), den man nach einem kurzen, aber ziemlich steilen Abstieg erreicht. An dem malerischen See kann man nicht einfach so vorbeigehen, ohne zuvor ein wenig die Seele baumeln zu lassen. Jenseits des Sees wandert man auf spärlichen Wegspuren in etwa 20 Minuten zu einem westlich gelegenen kleinen Sattel, auf der anderen Seite geht es auf steinigem Pfad steil bergab und man erreicht in Kürze das Ostufer des Gran Lago d‘Unghiasse. (2494 m). Das 500 m lange, 180 m breite und bis zu 40 m tiefe Gewässer ist der grösste natürliche See der drei Lanzo-Täler, er befindet sich am Fuss des Monte Unghiasse (2939 m), unweit der Wasserscheide zwischen dem Val Grande di Lanzo und dem nördlich gelegenen Valle dell‘Orco. Vom Südufer des Gran Lago d‘Unghiasse steigt man auf gutem Alpweg ab, nach einer halben Stunde kommt man zur wunderschön gelegenen Alpe del Laietto (2298 m), die in den Sommermonaten von einer sympathischen Familie aus Mathi bewirtschaftet wird. Nur wenige Schritte entfernt der idyllische Lago del Laietto, ein kleiner Bergsee, an dem man die Füsse in den Himmel strecken kann. In der näheren Umgebung weiden in den Sommermonaten über 100 Kühe und einige Pferde. Zwischen ersten verstreuten Lärchen geht es weiterhin bergab, man überquert den Rio Unghiasse und einige kleinere Seitenbäche, am Wegesrand die Hütten der Gias Vecchio (2142 m). Schliesslich erreicht man die weite Hochfläche des Pian delle Riane (1779 m) im Vallone di Unghiasse. Ein malerischer Ort mit viel Atmosphäre und noch viel mehr ungebändigter Natur, die endlose Weite in diesem riesigen Talkessel ist schlichtweg beeindruckend. Vom Pian delle Riane geht es auf nach wie vor gutem Alpweg weiter abwärts, die Gegend ist übersät von Steinen und Felsbrocken. Nach wenigen Minuten kommt man an den Ruinen einer aufgegebenen Alp vorbei (1742 m, ohne Namensangabe in den einschlägigen Karten), mit schönem Panorama auf die umliegenden Berge. Der weitere Abstieg führt an einem Bildstock vorbei, dann geht es entlang einer Felswand durch eine schmale Lichtung hinab, 10 Minuten später verschwindet der Pfad im Kiefernwald. Dieser kurze Abschnitt verläuft auf einer interessanten historischen Weganlage, einige steilere Passagen überwindet man auf einst kunstvoll im Gelände angelegten Treppenstufen. Bei den Hütten von Vaccheria (1630 m) mündet die Mulattiera in einen unbefestigen Fahrweg, auf dem man in einer Viertelstunde nach Mea (1526 m) hinabgeht. Die teils wiederaufgebauten uralten Alpgebäude befinden sich am Rand eines aussichtsreichen Geländerückens unmittelbar am Fuss des Bec di Mea (1546 m), ein markanter und bei Sportkletterern beliebter Felsgipfel. Das Panorama von diesem abgeschiedenen Ort ist umfassend und eindrücklich, man überblickt nahezu das gesamte Val Grande di Lanzo, im Westen erhebt sich die gewaltige Gipfelkulisse des Alpenhauptkamms. Von Mea wandert man in weiteren 20 Minuten durch Buchenwälder nach Alboni (1390 m), der Endpunkt dieser zweitägigen Runde.
Alboni ist eine aus mehreren Häusergruppen bestehende Siedlung auf einer aussichtsreichen Hochebene auf der Sonnenseite des Val Grande di Lanzo. Eine einzelne Häusergruppe nennt man hier „Borgata“, eine in Norditalien lokal übliche Bezeichnung für einen kleinen Ortsteil oder Weiler. Auf der Hochfläche befinden sich die Weiler Grand‘Albone, Albone di mezzo mit der Cappella di San Grato und Campo della Losa di sotto, ein wenig abseits am Waldrand die Häuser von Crest, wenige Gehminuten oberhalb die Gebäudegruppen von Campo della Losa di mezzo, Campo della Losa di sopra und Castello. Zusammengefasst sind es „gli Alboni“, frei ins Deutsche übersetzt „die Alboni“ (Alboni ist im Italienischen der Plural von Albone). Alboni war einst ganzjährig bewohnt, in jedem Haus lebte eine Familie mit zwei oder drei Generationen unter einem Dach. Bis zum Jahr 1927 war Alboni ein Ortsteil der damals existierenden Gemeinde Bonzo im Talboden des Val Grande, diese gehört heute zur Gemeinde Groscavallo. Eine Fahrstrasse gab es seinerzeit noch nicht. Von Bonzo führte eine breite und teils gepflasterte Mulattiera (dt.: Saumweg) durch den Wald hinauf in die Siedlung, auf der über viele Generationen alle Waren und Güter transportiert wurden, meist auf dem Rücken von Eseln oder Pferden. Auf dieser Mulattiera gingen auch die Kinder von Alboni morgens nach Bonzo in die Schule, nachmittags liefen sie den steilen und beschwerlichen Weg wieder zurück nach Hause. 400 Höhenmeter rauf und runter, Tag für Tag, sommers wie winters, bei jedem Wetter, aus heutiger Sicht schier unvorstellbare Lebensbedingungen, die jedoch seinerzeit etwas völlig normales waren. Nach dem Zusammenbruch der Berglandwirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg wanderten viele Bewohner in die Städte der nahen Tiefebene ab und fanden in den aufstrebenden Industriebetrieben einen neuen Broterwerb, mit sicherem Einkommen und geregelten Arbeitszeiten. Der Nachfrage nach Arbeitskräften war damals enorm. Diejenigen, die blieben, waren meist die Älteren, diese starben eines Tages, seitdem lebt in Alboni niemand mehr dauerhaft. Bis in die 1990er Jahre wurden viele verlassene Anwesen ihrem Schicksal überlassen und verfielen im Laufe der Zeit. Vor etwa 25 Jahren setzte eine Trendwende ein, heute sind fast alle Häuser von Alboni teils aufwendig und liebevoll renoviert und werden als Wochenend- oder Feriendomizil genutzt, meist von den Nachfahren der früheren Bewohner. Der Ort hat sich im Laufe der Jahre zu einem wahren Schmuckstück entwickelt – und all das geschah ohne Einmischung von ortsfremden Investoren. Im Gegensatz zu vielen anderen Örtlichkeiten in den Alpen in vergleichbar attraktiver Lage wurde Alboni bis heute nicht für touristische Zwecke erschlossen. Man erreicht die Siedlung nur über eine einspurige und kehrenreiche Zufahrtsstrasse, die im Winter nicht regelmässig geräumt wird. Es gibt dort weder eine Unterkunft noch ein Gasthaus und erst recht keine lärmenden Besuchermassen. Alboni ist ein liebenswerter und vor allem ursprünglicher Ort geblieben – einer von vielen guten Gründen, warum ich dort seit dem 2. Januar 2019 lebe.
Auch als dreitägige Rundwanderung möglich, in diesem Fall beginnt die Tour in Alboni und nach der ersten Etappe übernachtet man im Agriturismo La Bellavarda in Vonzo.
Eindrücke von der beschriebenen Tour findet ihr in der oberen Fotogalerie. Das Album darunter enthält einige Bilder von Alboni, darunter auch zahlreiche Panoramafotografien mit nicht alltäglichen Perspektiven eines in meinen Augen aussergewöhnlich schönen Ortes.
- 2 Tage
- max. 5 Personen
- Juli bis Mitte Oktober, nur bei gutem und sicherem Wetter
- T2, T3 auf dem Abschnitt zwischen der Alpe Vailet und dem Gran Lago d‘Unghiasse
- Übernachtung:
Bivacco Genisio auf der Alpe Vailet (2232 m) im oberen Vallone di Vassola, eine im Jahr 2019 neu errichtete Holzhütte, immer offen, sauber und geräumig. Matratzen und Decken sind vorhanden, ich empfehle jedoch die Mitnahme eines Schlafsackes. Einen Kocher für das gemeinsame Abendessen stelle ich zur Verfügung, an anderen segensreichen Kleinigkeiten wie Kaffee, Tee und Keksen sollte es auch nicht mangeln... - Höhenunterschiede und Gehzeiten:
Etappe 1: 1020 m im Aufstieg, 4,5 Std.
Etappe 2: 485 m im Aufstieg, 1155 m im Abstieg, 6 Std. - Ausgangspunkt:
Vonzo (1232 m, Frazione di Chialamberto), Zufahrt über eine kurvenreiche Bergstrasse vom Ortsteil Valnera im Talboden des Val Grande di Lanzo (5 km). - Endpunkt:
Alboni (1390 m, Frazione di Groscavallo)
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