Monte Soglio
Eindrückliche Gipfeltour auf guten und einfach zu begehenden Wegen im Val Malone. Aufgrund der leichten Erreichbarkeit ist der Monte Soglio an Schönwetterwochenenden auch bei den Einheimischen ein beliebtes und dementsprechend frequentiertes Ausflugsziel, ohne jedoch überlaufen zu sein. Unter der Woche begegnet man unterwegs kaum einer Menschenseele. Das Val Malone ist ein relativ kurzes, in Nord-Süd-Richtung verlaufendes Tal am Alpenrand, was bei dem Ort Corio in die piemontesische Tiefebene mündet.
Die Wanderung beginnt in Piano Audi (867 m), ein ruhiger und beschaulicher Ort im Val Malone. In dem kleinen Dorf und in den umliegenden Weilern leben heute nur noch 30 Personen dauerhaft, um das Jahr 1900 waren es noch 900. Die Menschen lebten einst von der Berglandwirtschaft, von der flächenhaften Entsiedelung nach dem zweiten Weltkrieg blieb auch das Val Malone nicht verschont, trotz der Nähe zur Tiefebene und zur Metropole von Turin. Etwa 200 m hinter dem Ortsschild befindet sich rechts ein Wegweiser. Die dort angegebenen 2 Std. 50 Min. bis zum Monte Soglio kann man getrost ignorieren, wie leider vielerorts in den piemontesischen Alpen sind die Gehzeiten ziemlich knapp bemessen und eher was sportlich Ambitionierte. Ich vertrete jedoch die Auffassung, dass Eile und übertriebener Sportsgeist auf einer Bergwanderung fehlt am Platz sind. Der Weg ist das Ziel, wer allzu schnell unterwegs ist, übersieht gar oft das Wesentliche und die vielen schönen und sehenswerten Kleinigkeiten am Wegesrand. Dieses Motto ist Teil meiner Philosophie – und das lebe ich auf all meinen hier vorgestellten Wanderungen, auch mit meinen Gästen. Lange Rede, kurzer Sinn: Von Piano Audi bis zum Gipfel des Monte Soglio benötigt man bei normalem Gehtempo etwa 3,5 bis 4 Stunden.
Bei dem erwähnten Wegweiser beginnt eine gepflasterte Mulattiera, auf der man in wenigen Minuten den kleinen Ort Case Rouget erreicht. Gepflegte Anwesen und Vorgärten, sogar einige Neubauten aus der Nachkriegszeit. Aber es ist still, man blickt auf geschlossene Fensterläden, so gut wie keine geparkten Autos, kaum eine Menschenseele ist zu sehen. Wie vielerorts in den piemontesischen Alpentälern werden ein Grossteil der Häuser nur noch am Wochenende oder in den Ferien bewohnt. Der Name Case (= Häuser) ist eine in dieser Gegend häufig verwendete Bezeichnung für einen kleinen Weiler oder für eine der vielen verstreuten Siedlungen oder ein Gehöft. Oberhalb der letzten Häuser führt der gut markierte Weg auf kunstvoll angelegten Treppenstufen zwischen Trockensteinmauern den Wald hinauf. Der steile Pfad mündet alsbald in den Weg, der von Case Andrè hinaufkommt. Auf diesem wandert man in einer knappen halben Stunde zu den Ruinen von Case Ieri (1074 m). Ein stiller und abgeschiedener Ort inmitten in einem üppig grünen Tal, im Frühling sind die umliegenden Wiesen übersät von Bergblumen. Auf schönem Alpweg erreicht man kurz darauf Case Rui (1120 m), ein lauschiges Fleckchen, was zum Verweilen einlädt. Einige der jahrhundertealten Bauernhäuser wurden hübsch hergerichtet, sie werden als heute als Wochenend- oder Feriendomizil genutzt. Bei der ehemaligen Temporärsiedlung mündet der markierte Weg in eine unbefestigte Alpstrasse, der man jedoch nur abschnittsweise folgt, der parallel verlaufende Wanderweg kürzt die allermeisten Kurven ab. Durch verbuschendes und teils wiederbewaldertes ehemaliges Weideland geht es weiterhin bergwärts, vorbei an den renovierten Alpgebäuden von L‘Arte (1200 m). Auf etwa 1400 m lässt man den Wald hinter sich und erreicht offenes und aussichtsreiches Gelände. Man kommt zu einer kleinen Verebnungsfläche mit einer Picknickbank auf einer grossen Weide, mit schönem Blick über das Val Malone und auf die umliegenden Berge. Im Frühling in den ersten Mai-Wochen erwartet einen hier ein ganz besonderes Schauspiel, die Alpwiesen in der näheren Umgebung verwandeln sich in einen riesigen Teppich voller blühender Narzissen. Poesie in Weiss, so eine geballte Blütenpracht sieht man auch nicht alle Tage (> siehe unten, zweite Fotogalerie).
Wenige Schritte nach der Alpe Mecio (1410 m) lässt man ein weiteres Mal den unbefestigten Fahrweg links liegen und wandert auf einem nach wie vor gut markiertem Weg über Wiesen und Weiden in einer knappen Stunde zum bereits weithin sichtbaren Rifugio Alpe Soglia (1723 m). In der wunderschön gelegenen Hütte kann man in den Sommermonaten einkehren und übernachten. Die Unterkunft ist von Juni bis Ende September durchgehend geöffnet, davor und danach i.d.R. an den Wochenenden, bei schönem Wetter auch im Winter. Vom Rifugio Alpe Soglia geht es zunächst zu den oberhalb gelegenen Alpgebäuden (Wegweiser), von dort auf einem ziemlich steilen Alpweg in einer halben Stunde auf den nahen Kamm (ca. 1880 m), der das Val Malone vom nördlich gelegenen Valle Orco trennt. Auf einem grasigem Pfad folgt man nun dem leichtansteigenden breiten Gratrücken Richtung Osten, vorbei an den Ruinen der Alpe Rossolo (1935 m) und erreicht in Kürze die Gipfelmadonna auf dem Monte Soglio (1971 m). Das Panorama ist umfassend und eindrücklich, im Nordwesten erhebt sich das Gran Paradiso-Massiv (4061 m) mit all seinen Trabanten, im Nordosten zeigt sich die Spitze des Matterhorns (4478 m). Im Westen blickt man auf viele namhaften Berge der Valli di Lanzo, im Osten auf die nahe Tiefebene mit der Millionenmetropole von Turin, im Süden grüsst der Monviso (3841 m), bei klarem Wetter sieht man in der Ferne die Seealpen.
Beim Abstieg bieten sich zwei Möglichkeiten an. Entweder man nimmt den gleichen Weg wie beim Aufstieg, oder man steigt alternativ über den Südgrat des Monte Soglio zum Pian di Bensi (1671 m) hinab, von dort über die Alpe Moitè zurück zur Alpe Mecio (1410 m). Der verbleibende etwa 1,5-stündige Rückweg bis Piano Audi ist identisch mit der Aufstiegsroute.
Der Monte Soglio (1971 m) ist einer letzten markanten Erhebungen auf dem etwa 20 km langen Kamm, der sich vom Monte Bellavarda (2345 m) im Westen bis zur Cima Mares (1653 m) im Osten erstreckt und jenseits davon schliesslich in die oberitalienische Tiefebene ausläuft. Dieser Kamm bildet gleichzeitig die Wasserscheide zwischen dem Valle Tesso, Valle Tessulo und Val Malone, drei kurze, in Nord-Süd-Richtung verlaufende Täler am Alpenrand, und dem nördlich gelegenen Valle Orco, ein 58 km langes, in Ost-West-Richtung verlaufendes Tal auf der piemontesischen Seite des Nationalparks Gran Paradiso.
Bei dieser Tour ist es ratsam, möglichst früh aufzubrechen, am besten bereits bei Sonnenaufgang. Besonders in den Sommermonaten bildet sich in den Kammlagen ab den späten Vormittagsstunden recht häufig Nebel, bedingt durch die feuchten Luftmassen, die aus der nahen und im Hochsommer meist brütend heissen Tiefebene aufsteigen.
- April bis November
- T2
- 6,5 Std.
- Höhenunterschied: 1105 m
- Ausgangs- und Endpunkt: Piano Audi (Frazione di Corio, 867 m)
Piano Audi - Case Ieri - Case Rui - Alpe Mecio - Rifugio Alpe Soglia - Monte Soglio (14.04.2021)
Piano Audi - Case Ieri - Case Rui - Alpe Mecio - Rifugio Alpe Soglia - Monte Soglio (26.05.2021)
Piano Audi - Case Ieri - Case Rui - Rifugio Alpe Soglia - Monte Soglio - Pian di Bensi - Alpe Mecio - Piano Audi (27.09.2021)
Piano Audi - Case Ieri - Case Rui - Alpe Mecio - Rifugio Alpe Soglia - Monte Soglio (03.01.2022)
Die Gipfelmadonna auf dem Monte Soglio (14.04.2021)