Missirola - Colle Crosiasse - Urtirè
Rundwanderung durch die stillen Wälder an der Südseite des Val Grande di Lanzo.
Man wandert quasi durch eine vergessene Welt, unterwegs begegnet man immer wieder den Spuren der früheren Bergbewohner, die über viele Generationen von einer autarken Selbstversorgerlandwirtschaft lebten. Wo einst das Leben blühte, regiert heute die ewige Stille. Die kleine Kirchenkapelle von Missirola, die Alphochfläche von Urtirè und das eindrückliche Panorama vom Colle Crosiasse sind die Höhepunkte dieser wunderschönen Wanderung.
Ausgangspunkt dieser Wanderung ist das kleine Dorf Bussoni (919 m), ein dicht gedrängter Häuserhaufen mit dem Charme von bröckelndem Putz und abblätternder Farbe. Schmale Gassen und Gänge, niemand ist zu sehen, keine menschgemachten Geräusche. Verschlossene Türen und Fensterläden verraten, dass in Bussoni kaum noch jemand zuhause ist, zumindest nicht dauerhaft. Nur am Wochenende oder in den Sommerferien im August herrscht hier rege Betriebsamkeit, in den Wintermonaten ist der Ort nahezu verlassen, lediglich die Kirchenglocken schlagen immer pünktlich zur vollen Stunde, Tag und Nacht.
Vom Parkplatz an der Talstrasse geht man zunächst wenige Schritte abwärts bis zum Fiume Stura di Valgrande. Der Gang über die Brücke ist ebenso geräuschvoll wie aussichtsreich. Unten einem rauscht der Fluss, in der Ferne der Alpenhauptkamm über dem Talschluss, die Berge leuchten im warmen Licht der Morgensonne. Dann endet die Zivilisation, üppiges Grün in allen Variationen, im Herbst spriessen Kolonien von Pilzen aus dem Boden, am Wegesrand riesige Teppiche von Falten-Tintlingen, Riesen-Schirmlinge und Fliegenpilze ragen aus dem Unterholz. Der stets gut markierte Weg windet sich die bewaldeten Hänge an der Nordflanke des Val Grande hinauf, die ersten 550 Höhenmeter durch den steilen Buchenwald sind bisweilen schweisstreibend und ziehen sich wie Kaugummi. Nach knapp zwei Stunden ist der erste Anstieg geschafft und man erreicht die kleine Lichtung von Missirola (1452 m). Die steinernen Bänke vor der weiss gestrichenen Cappella della Madonna della Consolata laden zu einer Verschnaufpause ein, mit schöner Aussicht über das Tal. Missirola ist eine aufgegebene Sommersiedlung, auch Temporärsiedlung oder Maiensäß genannt, die kleine Kirchenkapelle ist das einzige noch intakte Gebäude. Hier wurde einst in den Sommermonaten gelebt und gewirtschaftet, Tiere standen auf den saftigen Weiden, abends brannte das Holzfeuer unter dem Kessel mit der frisch gemolkenen Milch, die danach zu Käse und Butter verarbeitet wurde. All das ist Vergangenheit, heute blickt man auf einen gottverlassenen Ort. An den Hütten und Ställen nagt der Zahn der Zeit, bis das morsche Gebälk eines Tages unter der Last der schweren Dachplatten zusammenbricht. Von manchen Gebäuden stehen nur noch die Grundmauern, die rasch vorrückende Vegetation überwuchert die letzten Reste.
Jenseits der grossen Weide verschwindet der Weg sofort wieder im Dickicht, kurz darauf überquert man den Rio Missirola, im weiteren Verlauf geht es mal rauf, mal runter. Nach einer Weile mündet der Weg in eine unbefestigte Alpstrasse, der man etwa eine Viertelstunde folgt. Hinter den Hütten von Cuccetta (1413 m) zweigt bei einem Wegweiser ein markierter Pfad ab. Noch ein gutes Stündchen, anfangs durch mannshohes Gestrüpp. Dann wird es sanfter, die Landschaft wird offener und gibt die ersten Weitblicke frei, durch allmählich verbuschendes Weideland schlängelt sich der Weg hinauf zum Colle Crosiasse (1809 m). Der nur wenig frequentierte Übergang befindet sich am Rand einer Alphochfläche auf dem flachen Gratrücken zwischen Val Grande di Lanzo und dem Vallone di Crosiasse, ein wildes und völlig menschenleeres Seitental des Val d‘Ala. Willkommen im Paradies. Erst mal die Schuhe ausziehen und in den Genussmodus wechseln. Was für ein schönes Plätzchen, ringsherum eine liebliche Landschaft mit sanft gewellten grasigen Matten, im Frühsommer blühen hier oben unzählige Bergblumen. Sehr lohnend ist ein kurzer Abstecher zur nahen Alpe Crosiasse (1792 m).
Vom Colle Crosiasse steigt man zunächst auf gleichem Weg wieder ab zu den aufgegebenen Hütten von Cuccetta. Von dort weiter auf dem Alpsträsschen nach Urtirè (1391 m, in manchen Karten auch Urtorei genannt), eine ehemalige Sommersiedlung, die aus mehreren Gebäudegruppen besteht. Mitten auf einer aussichtsreichen Wiese steht die sehenswerte Cappella di San Filippo Neri. In den Sommermonaten trifft man bisweilen auf ein paar neugierige Esel, ansonsten rührt sich hier nicht viel. Dadurch, dass der Ort mit einer Fahrstrasse erschlossen wurde, werden einige der Alpgebäude noch instandgehalten und als Wochenendhäuschen genutzt.
Am Waldrand bei der unteren Gebäudegruppe verlässt man bei einem Wegweiser die Alpstrasse, von nun an geht es nur noch bergab. Wenig später kommt man zu einer kleinen Lichtung auf einem grasigen Geländerücken. Mitten im Geschehen die nahezu verfallenen Alphütten von Cà Girot (1332 m). Eine beschauliche Szenerie, kaum ein Stein liegt noch auf dem anderen, vor den Türen wuchern Brennnesseln und meterhohes Gestrüpp, Birken beschlagnahmen die umliegenden Weiden. Hier herrscht Endzeitstimmung, auch dieser Ort ist mittlerweile gestorben. Todesursache: Armut, Abwanderung und Landflucht. Zurück bleiben die Erinnerungen.
Durch dichten Buchenwald geht es weiter abwärts, man verliert rasch an Höhe. Weiter unten die Hütten von Cà di Bertà (989 m), die heute mitten im Wald stehen. Ein Duft von feuchter Erde und Moos liegt in der Luft, sogar die Dächer sind mittlerweile mit Sauerklee bewachsen. Dann folgt ein besonders schöner Wegabschnitt durch einen Kastanienhain. Der Pfad geht in eine breite gepflasterte Mulattiera (= Saumweg oder Maultierweg) über, die entlang von Trockensteinmauern weiter talwärts führt. Eine beeindruckende historische Weganlage, jeder Schritt ist hier ein Genuss. Die Mulattiera endet bei der Lichtung von Il Runc (870 m). Einige der ehemaligen Alpgebäude wurden instandgesetzt und werden heute als Wochenendhäuser genutzt. Vor den Fenstern und Türen stehen Blumentöpfe, die Wiesen sind akurat gemäht, nach all den Eindrücken ist der Anblick dieses gepflegten Ortes irgendwie erfrischend. Von hier sind es nur noch wenige Schritte bis Chialamberto (864 m) im Talboden des Val Grande di Lanzo. Der verbleibende halbstündige Rückweg bis Bussoni verläuft auf der nahezu unbefahrenen schmalen Strasse entlang des Fiume Stura di Val Grande.
- Mai bis Oktober
- T2
- 6,0 Std.
- Höhenunterschied: 925 m
- Ausgangs- und Endpunkt: Bussoni (919 m, Frazione di Chialamberto) im Talboden des Val Grande di Lanzo
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