Lago Lusignetto
Wunderschöne Rundtour durch zwei abgeschiedene Seitentäler über dem mittleren Val d‘Ala. Eine recht lange, aber eindrückliche Wanderung durch eine teils menschenleere Gegend, eine wenig Ausdauer und Kondition ist hier ratsam, ebenso wie ein möglichst früher Aufbruch, am besten bereits bei Sonnenaufgang.
Vom Parkplatz (zahlreiche Wegweiser) bei der Siedlung La Fabbrica (1008 m) überquert man zunächst auf einer Brücke den Fiume Stura di Ala und geht links durch den kleinen Ort. Nach wenigen Metern rechts und unter dem meist stillgelegten Sessellift durch. An der folgenden Gabelung links halten und auf einem breiten und steinigen unmarkierten Weg steil im Wald hinauf, dieser mündet wenig später in einen unbefestigten Fahrweg (Wegweiser), dem man nun eine Weile bergwärts folgt. Nach einem etwas monotonen 45-minütigen Anstieg auf der Alpstrasse erreicht man den Pian Belfè (1280 m), eine weite Hochfläche an der Nordflanke des Val d‘Ala mit einigen weit verstreuten Gebäudegruppen: Belfè, Case Bernarda, Ginetta, Basas und ein wenig oberhalb Belfè di sopra. Einige der Alpgebäude werden heute noch landwirtschaftlich genutzt, andere wiederum wurden zu Wochenend- oder Ferienhäusern umgebaut. Frühmorgendliche Stille, keine Menschenseele weit und breit, ein wunderschönes Fleckchen, das zum Verweilen einlädt.
Von den hübsch renovierten Häusern von Belfè (1280 m) folgt man noch Stück dem unbefestigten Fahrweg bis zu dem einzelstehenden Alpgebäude von Basas, wo sich unmittelbar am Waldrand ein Wegweiser befindet. Auf nun schöner Mulattiera (= Saumweg oder Maultierweg) geht es sanft ansteigend bergauf. Nach 20 Minuten kommt man zu einer sonnigen Lichtung und kurz darauf zur Alpe Longimala (1406 m). Hundegebell, Stallgeruch liegt in der Luft, vor dem Wohnhaus steht ein uralter Landrover, hier scheint jemand zuhause zu sein. Beppe, ein rüstiger und stets gut gelaunter Mitsiebziger, grüsst freundlich, Wanderer sind hier immer willkommen. Kaum ist man angekommen, steht auch schon der Kaffee auf dem Gasherd, wahrlich ein gastlicher Ort. Beppe lebt schon seit Jahrzehnten hier oben in der Einsamkeit, das ganze Jahr, auch im Winter. Um bei viel Schnee nicht von der Aussenwelt abgeschnitten zu sein, hat er sich kürzlich einen Motorschlitten zugelegt. Die aus mehreren Gebäuden bestehende Alp hat er seinerzeit von seinem Grossvater übernommen und in jahrelanger Arbeit wiederaufgebaut und renoviert. Bis vor einigen Jahren betrieb er hier eine bewirtschaftete Hütte, wo man auch übernachten und essen konnte, aus Altersgründen hat er das vor einiger Zeit aufgegeben. Aus einem der Ställe ertönt Hühnergegacker, ringsherum grasen einige Pferde, das grosse Hobby von Beppe. In den Sommermonaten führt er noch Gruppen mit den Pferden durch seine Berge, ansonsten lässt er es mittlerweile ruhig angehen und geniesst sein Leben abseits vom Mainstream.
Wenige Schritte oberhalb an einer Weggabelung geht es geradeaus weiter, der Abzweig zur Testa Paian bleibt unbeachtet. Prächtige Lärchen stehen bereits Spalier, dann dominieren die Buchen. Der markierte Weg verschwindet eine Weile im schattigen Wald und führt durch das stille Vallone di Busera (ohne Namensangabe in den einschlägigen Karten) weiter talaufwärts. Der Pfad ist bisweilen übersät von Steinen, bei Nässe kommt man hier nur langsam voran, an einem Seitenbach stapft man einige Meter durch ein unwegsames Bachbett. Nach etwa einer Dreiviertelstunde lichtet sich der Wald, über allmählich verbuschendes Weideland geht es sanft ansteigend zu den aufgegebenen Gebäuden der Alpe Ciapili (1633 m). Von dort führt der Weg in Kürze hinauf auf einen Geländerücken mit verstreuten Birken, wo sich die bisher deutliche Pfadspur irgendwann im Gras verliert, auch Markierungen sucht man hier vergeblich. Ausser bei dichtem Nebel gibt es jedoch keine Orientierungsprobleme. Man geht einfach rechts (Richtung Norden) und steigt wenige Meter in die kleine grasige Hochebene ab, überquert zwei kleinere Seitenbäche und steigt dann mehr oder weniger weglos über die Weiden hinauf zu den bereits von weitem sichtbaren Hütten der Alpe Vallone (1803 m). Hier und da trifft man auf Steinmännchen und alte verblichene rote Markierungen. Manche der archaischen Alpgebäude haben schon bessere Tage gesehen, einige sind baufällig, andere scheinen noch genutzt zu werden. Ringsherum spriesst Ampfer und allerlei Unkraut, herumstehende Milchkannen, Waschschüsseln und ein Stapel Brennholz verraten allerdings, dass hier gelegentlich noch jemand vorbeikommt. Jenseits der Alp folgt man der spärlichen Pfadspur Richtung Westen, nach wenigen Minuten trifft man auf einen Wegweiser zwischen vereinzelten Lärchen. An dieser Stelle knickt der Weg nach Süden ab, der undeutliche Pfad, die geradeaus auf den Colle Vallone führt, bleibt unbeachtet. Ab hier wandert man wieder auf einem klar erkennbaren und nun gut markierten Weg, der aussichtsreich durch steiniges und teils verbuschendes Weideland sanft ansteigend weiter talaufwärts führt. Eine halbe Stunde später erreicht man eine weitläufige Hochfläche mit der Alpe Vallonetto (2011 m). Mitten im Geschehen eine Handvoll steinerner Hütten, einige davon sind bereits verfallen. Endlose Weite, phantastische Aussicht, ein weltabgeschiedener und gleichzeitig faszinierender Ort. Die Glocken der hier in den Sommermonaten weidenden Rinderherde spielen die passende Begleitmusik.
Noch weitere 200 Höhenmeter und 40 Minuten, dann ist der Aufstieg geschafft. Halbzeit. Am Colle del Lago di Viana (2218 m, im Gelände auch als Colle dei Tre Lajet bezeichnet), Wasserscheide zwischen dem Val d‘Ala und dem südlich gelegenen Valle di Viù, erreicht man den höchsten Punkt dieser Wanderung. Das Panorama ist atemberaubend, ganz im Norden erhebt sich das Gran Paradiso-Massiv (4061 m), im Süden das Valle di Viù, Richtung Osten blickt man bei klarem Wetter bis zum Alpenrand, dahinter erstreckt sich die piemontesische Tiefebene. Etwas unterhalb des Passes ruht der Lago di Viana (2201 m) vor sich hin, ein herrlicher gelegener See am Fuss des Ciarm del Prete (2389 m), der einen kurzen Abstecher lohnt. Am Colle del Lago di Viana trifft man auf eine beschilderte Wegkreuzung, hier geht man nun Richtung Norden, zunächst in leichtem Auf und Ab entlang entlang einer felsigen Flanke und hält Kurs auf den Torrione Lagoscuro (2299 m). Torrione kann man mit Wachturm übersetzen, die freistehende markante Erhebung trohnt in der Tat wie ein steinerner Wächter über dem einsamen Hochtal. Vom Fuss des Berges geht es kurz steil bergab, wenige Minuten später steht man am Ufer des Lago Lusignetto (2171 m). Ziel erreicht, Rucksack absetzen, Schuhe aus, Pause. Am besten gleich die Füsse ins eiskalte Wasser strecken und die wunderschöne Umgebung und das tolle Panorama geniessen, die Gedanken sind frei. Der malerische Bergsee befindet sich in einer steinigen Geländemulde, die einst von eiszeitlichen Gletschern geformt wurde. Die karge Gegend ist übersät von herumliegenden Felsbrocken.
Bei all den schönen Eindrücken wird es trotzdem irgendwann Zeit aufzubrechen. Der noch etwa dreistündige Abstieg führt durch das abgeschiedene Vallone di Lusignetto, ein menschenleeres Seitental an der Nordflanke des Val d‘Ala. Man verliert rasch an Höhe, die Gegend wird grüner und lieblicher, die Hänge sind überwachsen von Alpenrosen, Heidelbeeren und Wacholderbüschen. Zwischen verstreuten Lärchen geht es kontinuierlich abwärts, zwischendurch werden immer wieder kleinere Seitenbäche überquert, der Weg ist überraschend gut markiert und problemlos zu finden. Nach einer Weile erreicht man eine grasige Ebene mit einem friedlich vor sich hinmäandernden Bergbach, im weiteren Verlauf wandert man entlang der Westflanke der Punta Lusignetto (1952 m), vorbei an der aufgegebenen Alpe Colau (1815 m). Der Pfad schlängelt sich weiter hinab zur Alpe Lusignetto Est (1654 m). Hier ist niemand mehr da, keiner, der Kühe melkt oder Käse macht, eine vergessene Welt. Die umliegenden Weiden sind mittlerweile von Sträuchern überwachsen und verbuschen allmählich, hier scheinen schon länger keine Kühe mehr hochgetrieben worden zu sein. Stattdessen blickt man auf meterhohe Brennnesseln und wuchernden Ampfer, der sich wie ein riesiger grüner Teppich zwischen den teils verfallenen Alphütten ausbreitet. In der subalpinen Höhenstufe ist ganz besonders der Alpen-Ampfer eine dominierende Pflanzengattung der sogenannten Lägerflur, die nur auf stark nitrathaltigen Böden wächst. Diese entstehen auf meist kleinräumigen und lokal begrenzten Flächen durch Überdüngung von Weidetieren wie Kühe und Rinder, die sich meist über einen sehr langen Zeitraum regelmässig am selben Ort aufgehalten haben. Lägerfluren findet man daher recht häufig in der Umgebung von Alpgebäuden, auch noch Jahrzehnte nach der Nutzungsaufgabe. Weitere typische Pflanzenarten einer Lägerflur sind Brennnesseln, Alpen-Greiskraut, Alpendost und blauer Eisenhut.
Von der Alpe Lusignetto Est steigt man weiter ab, der Weg verläuft nun im Wald und mündet wenig später in eine unbefestigte Alpstrasse, die nicht in den Karten verzeichnet ist. Nach einer kurzen Gegensteigung wandert man nun für eine halbe Stunde auf der rücksichtslos in den Wald planierten Piste Richtung Osten und verlässt diese in einer der Kehren. Nach einem weiteren Gegenanstieg erreicht man die Mittelstation eines Sesselliftes. Ein kleines Wochenend-Skigebiet oberhalb des Pian Belfè am Fuss der Punta Lusignetto, was heute mangels Schneesicherheit kaum noch in Betrieb ist, eine hässliche Bausünde aus längst vergangenen Zeiten. Nach wenigen Schritten ist der Spuk vorbei und es wird wieder schön. Über grasige Matten geht es unmarkiert und teils weglos weiter abwärts, vorbei an den Alphütten von Belfè di sopra (1391 m) und Case Bernarda (1320 m) nach Belfè (1280 m). Orientierungsprobleme bestehen hier nicht, alternativ kann man auch die parallel verlaufende Fahrstrasse nehmen, die direkt nach Belfè führt. Von der schön gelegenen und aufwendig renovierten Häusergruppe kehrt man schliesslich auf dem Aufstiegsweg zum Ausgangspunkt zurück.
- Juni bis Oktober
- T2, auf wenigen kurzen Abschnitten T3
- 8.0 Std.
- Höhenunterschied: ca. 1250 m
- Ausgangs- und Endpunkt: La Fabbrica (Frazione di Ala di Stura, 1008 m), ca. 500 m vor dem Dorfzentrum von Ala di Stura links von der Talstrasse abbiegen.
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