La Rossa
Wenig begangenes, aber ausserordentlich lohnendes Gipfelziel am Schnittpunkt dreier Täler, im Norden das Valle Orco, im Süden das Valle Tesso und das Val Grande. Etwa zwei Drittel des Aufstiegs sind identisch mit der Tour zum Lago di Monastero.
Abmarsch, der Puls ist hoffentlich auf Betriebstemperatur. Das Ziel ist anvisiert, vor einem knapp 1000 Höhenmetern, keine grosse Hürde, aber sie wollen gelaufen werden. Vorfreude ist die beste Motivation. Die ersten Aufstiegsmeter bis zum Colle San Giacomo (1460 m) schlängeln sich durch lichten Birkenwald und sind schnell überwunden, zur Belohnung gibt es ganz viel Aussicht, ein kleiner Vorgeschmack auf all das, was noch kommen mag. Man steht auf einer grasigen Anhöhe zwischen dem Valle Tesso und dem Val Grande di Lanzo, um einen herum weites Land, in der Ferne leuchten die Berge der Valli di Lanzo im Licht der warmen Morgensonne, alle schön in Reih und Glied. Wer früh aufsteht, hat mehr vom Leben. Dieses Motto gilt ganz besonders für diese Tour, vor allem in den Sommermonaten bildet sich bereits ab den Vormittagsstunden in umliegenden Kammlagen häufig Nebel, bedingt durch die feuchtwarmen Luftmassen, die aus der nahen und im Sommer meist brütend heissen Tiefebene aufsteigen. Also, wer was sehen will, macht sich besser zeitig auf den Weg. Ein wenig unterhalb des Passes befindet sich die sehenswerte Cappella di San Giacomo (1414 m), das weiss gekalkte Gotteshaus wird von Einheimischen in ehrenamtlicher Arbeit gepflegt und instandgehalten.
Vom Colle San Giacomo (1460 m) folgt man dem breiten Weg über die Weiden bis zur nahen Alpe Santa Barbara (1504 m). Die Welt ist im Wandel, früher wurde hier das Vieh gemolken, Käse gemacht und Heu gewendet, heute blickt man auf hübsch renovierte Wochenhäuschen. Der Weiterweg führt durch einen lauschigen Birkenwald. Dieser Wald ist noch jung, die Umgebung der Alpe Santa Barbara war einst gerodet, hier weideten über Generationen Kühe, Schafe und Ziegen. Seit der weitgehenden Einstellung der traditionellen Alpwirtschaft hat sich das Landschaftsbild stark verändert, immer mehr Weideflächen veröden und werden von Birken beschlagnahmt. Am Colle della Forchetta (1589 m) mündet der Weg in die geschotterte Zufahrtsstrasse zur Alpe di Monastero. Ein grosser Gedenkstein erinnert an die Gefallenen des Krieges. Weiter oben in einer Kehre zweigt links eine anfangs undeutliche Pfadspur ab, auf dieser erreicht man in Kürze freies Gelände und den grasigen Gratrücken zwischen dem Valle Tesso und dem westlich gelegenen Val Grande di Lanzo. Vorhang auf! Die Aussicht ist bereits von hier atemberaubend. Mitten auf dem einsamen Kamm trohnt der Decollo di Menulla, eine hölzerne Statue zwischen Himmel und Erde, originelle Handwerkskunst mitten im Nirgendwo. Der Weg folgt nun eine Weile dem Gratverlauf, jeder Schritt ist hier ein Genuss. Wenig später kommt man zu einer Gruppe von Alpgebäuden, gleich daneben der Roc del Gal (1693 m), wie dieser pittoresk anmutende Felsklotz hier hingekommen ist, wissen vermutlich nur die Götter. Wenige Minuten später mündet der Weg bei den Hütten der Prati della Fontana (1701 m) erneut in die parallel verlaufende Alpstrasse. Auf dieser kann man nun in der nächsten Stunde gemütlich von sich hintraben. Auf der Alpe di Monastero (1971 m) herrscht rege Betriebsamkeit, zumindest wenn Giovanni da ist, ein sympathischer Mittsiebziger mit sonnengegerbtem faltigem Gesicht und markantem Schnauzer. Sommer für Sommer verbringt er gemeinsam mit seinem Sohn Domenico und seinen Tieren hier oben auf der Alp, bereits sein ganzes Leben. Im August ziehen Giovanni und Domenico mit den Kühen vorübergehend auf die höhengelegenen Weiden der Alpe Costapiana, bevor sie Anfang September wieder zur Alpe di Monastero zurückkehren. Den Rest des Jahres lebt er mit seiner Familie auf seinem Hof, irgendwo weit draussen in der Po-Ebene. Nur einen Steinwurf entfernt ruht der Lago di Monastero (1992 m) friedlich vor sich hin, ein idyllischer Bergsee am Fuss der steilen Westflanke der Punta Gias Vej (2180 m). Anderswo würden sich an einem solch schönen Ort vermutlich Horden von Menschen tümmeln, am Ufer ständen womöglich Bars, Restaurants und Souvenirbuden. Aber wir sind im Piemont, und die Wege führen hier fast immer ins touristische Abseits. Hier könnte man leicht der restlichen Tag in der Sonne verlümmeln, die Verlockung ist gross. Aber der Berg ruft, und er ist bereits in Sichtweite, noch eine Stunde und gut 300 Höhenmeter bis zum Ziel.
Vom Lago di Monastero sind es nur wenige Schritte bis zur im Sommer bewirtschafteten Alpe di Coassolo (2026 m). Der verbleibende Aufstieg zur Cima La Rossa ist nicht markiert und mehr oder weniger weglos, aber völlig unschwierig, hier und da helfen vereinzelte Steinmännchen bei der Orientierung. Bei dem hier im Sommer oft vorkommenden Nebel sollte man allerdings aufpassen, dass man den Weg nicht verliert. Bei der Alpe di Coassolo verlässt man die Alpstrasse und steigt einfach über die Weiden auf einen nordwestlich gelegenen grasigen Geländerücken, dort trifft man auf einen Viehsteig, der irgendwann ostwärts abknickt. Die spärliche Pfadspur führt zu einer kleinen Verebnungsfläche mit einem riesigen Steinmann, von dort weglos und schwitzend durch hohes Gras weiter bis zu einem von weitem erkennbaren Holzpflock am Ostgrat des Berges, von dort in wenigen Schritten hinauf zum Gipfelkreuz der Cima La Rossa (2319 m). Hier liegt einem die Welt zu Füssen, Johann Wolfgang von Goethe dichtete einst: „Berge sind stille Meister und machen schweigsame Schüler“. Poetisch ist auch das Panorama von hier oben. Im Norden zeigt sich der Gran Paradiso (4061 m) mit all seinen Trabanten, östlich davon der Monte Rosa (4634 m), das zweithöchste Bergmassiv der Alpen, im Westen die Gruppe der Levanne (3619 m) und viele andere namhafte Erhebungen der Valli di Lanzo. Im Osten verliert sich Po-Ebene im immerwährenden Dunst, im Süden grüsst der Monviso (3841 m), bei klarer Sicht blickt man bis in die Seealpen. Auf dem kleinen Gipfelkreuz steht geschrieben: „Quando diventa buio, puoi vedere le stelle – wenn es dunkel wird, kannst du die Sterne sehen“. Dem gibt es nichts hinzuzufügen.
Der Abstieg verläuft auf dem Aufstiegsweg.
Alternativ bietet sich zuvor noch ein lohnender Schlenker an. Vom Gipfelkreuz steigt man über den Ostgrat etwa 50 Höhenmeter ab bis zu einer grasigen Verebnungsfläche. Von dort steil hinauf auf den östlich gelegenen namenlosen Nebengipfel. Weiter über glattgeschliffene Felsplatten über den breiten und unschwierig zu begehenden Kamm, dann auf spärlichen Wegspuren hinab zu einer grossen Weide nördlich des Colle di Perascritta (2158 m), wo man auf einen markierten Weg trifft. Jenseits des Passes mündet der Weg in einen geschotterten Fahrweg, auf dem man zur Alpe di Coassolo (2026 m) zurückkehrt. Wer noch überschüssige Energie in den Knochen hat kann vom Colle di Perascritta noch einen weiteren Abstecher auf die Punta dell‘Aggia (2254 m) machen, etwa 45 Minuten hin und zurück. Der weglose und nicht markierte Aufstieg durch die steile grasige Westflanke ist bisweilen ein wenig mühsam, aber technisch unschwierig.
- Mai bis Oktober, beste Wetterbedingungen im Frühsommer und im Herbst.
- T1/T2
- 6,5 Std.
- Höhenunterschied: 970 m
- Ausgangs- und Endpunkt: Ausgangs- und Endpunkt: Abzweig zum Colle San Giacomo (ca. 1350 m) an der Zufahrtsstrasse zur Alpe di Monastero, 6 km nördlich von Chiaves (Fraz. di Monastero di Lanzo). Die Strasse ist von Juni bis Ende Oktober geöffnet, ansonsten etwa 1,5 km unterhalb an der geschlossenen Schranke.
Alpe di Monastero - La Rossa (01.08.2019)
Alpe di Monastero - Lago di Monastero - Alpe di Coassolo - La Rossa (13.09.2019)
Alpe di Monastero - Lago di Monastero - La Rossa (31.08.2020)
Colle San Giacomo - Alpet - Roc del Gal - Alpe di Monastero - Lago di Monastero - La Rossa (30.10.2020)
Colle della Forchetta - Alpet - Roc del Gal - Alpe di Monastero - Lago di Monastero - La Rossa - Colle di Perascritta - Punta dell'Aggia (05.08.2021)
Colle San Giacomo - Alpet - Roc del Gal - Alpe di Monastero - Lago di Monastero - La Rossa - Colle di Perascritta (27.10.2021)
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