Anello dei Gias
Anello dei Gias, so die italienische Bezeichnung dieser Tour, bedeutet frei übersetzt Rundwanderung von Alp zu Alp. Der Name klingt nicht nur schön, er hält auch, was er verspricht. Auf stillen und einsamen Pfaden wandert man durch die weitläufigen Alpgebiete des Vallone di Vercellina und des Vallone dell‘Alpetta, zwei abgeschiedene Seitentäler des oberen Val Grande di Lanzo.
Die Wanderung beginnt in Rivotti (1452 m), ein abgelegener Ortsteil von Groscavallo auf der Sonnenseite des Val Grande di Lanzo. Der in den Wintermonaten nicht mehr bewohnte Ort besteht aus mehreren verstreuten Häusergruppen, die weiss gekalkte Kirche steht etwas abseits der Strasse mitten auf einer aussichtsreichen Wiese.
Von Rivotti folgt man den Markierungen des Fernwanderwegs GTA (Grande Traversata delle Alpi) und geht hinauf zu der von Mai bis September bewohnten Alp von Crest (1534 m). Ein wenig oberhalb überquert man die Fahrstrasse und erreicht kurz darauf die wunderschön gelegene Alpsiedlung von Balmes (1604 m). Der Weiterweg führt zunächst über Wiesen und Weiden hinauf zur Alpe Invers (1647 m), im Frühsommer spaziert man hier durch einen bunten Blumenteppich, oberhalb der Hütten steht mitten auf einer Wiese eine originelle Holzfigur, die von den Einheimischen Decollo dei Rivotti genannt wird. Vor einem das einsame Vallone di Vercellina, der ausgetretene und gut markierte Weg schlängelt zunächst durch lichten Lärchenwald weiter talaufwärts, weiter oben dominieren Alpenrosen, Erlengebüsch und verstreute Birken. Nach etwa einer Stunde erreicht man eine kleine Verebnungsfläche mit den Hütten der Gias di Mezzo (2086 m). Das Begrüssungskomitee erwartet einen bereits mit neugierigen Blicken, in den Sommermonaten grasen auf den umliegenden Weiden einige Rinder. Ansonsten trifft man hier oben meist keine Menschenseele, die uralten Hütten und Ställe sind jedoch in einem guten Zustand und scheinen noch genutzt zu werden.
Jenseits der Alp verlässt man den Hauptweg mit der GTA und steigt auf weiterhin gut markiertem Pfad in einer halben Stunde zur Gias Vei (2245 m). Hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Eine handvoll archaische Alpgebäude am Fuss eines steinigen Hangs, umzingelt von Brennnesseln und wucherndem Ampfer. Ein gottverlassener und gleichzeitig faszinierender Ort, der einen so schnell nicht mehr loslässt. Man beachte die aussergewöhnliche Konstruktion des Schornsteins an der Giebelseite an einem der Gebäude. Bröckelnde Mauern, die Geschichten aus dem Leben erzählen. Wieviele Generationen haben hier in den letzten Jahrhunderten gelebt und gearbeitet? Wieviele Kühe wurden hier einst Sommer für Sommer hinaufgetrieben? Blickt man hier auf ein Paradies oder auf einen gottverlassenen Ort der Mühsal, der in der heutigen modernen Welt als unrentabel betrachtet wird? Fragen über Fragen, womöglich gibt es keine passende Antworten... Von der Gias Vei geht es weiter westwärts, man hält Kurs auf den sanft gewellten Gratrücken, der das Vallone di Vercellina vom Vallone dell‘Alpetta trennt. Auf ca. 2350 m erreicht man einen kleinen Sattel, gleichzeitig der höchste Punkt dieser Rundwanderung. Bühne frei, zur Belohnung gibt es Aussicht im Überfluss, die Welt scheint einem zu Füssen zu liegen, zumindest bei klarem Wetter. Von hier überblickt man nahezu das gesamte Val Grande di Lanzo, vom Monte Bellavarda im Osten bis zum Alpenhauptkamm im Westen. Ein stimmungsvolles Plätzchen zwischen Himmel und Erde, es lohnt sich, hier ein wenig verweilen.
Der Abstieg führt zunächst entlang des grasigen Rückens, wenig später knickt der Pfad nach Westen ab und führt hinab ins obere Vallone dell‘Alpetta. Der Wegverlauf ist nicht immer klar ersichtlich, bei Nebel sollte man hier mit offenen Augen unterwegs sein, gelegentlich helfen Holzpflöcke mit rot-weissen Markierungen bei der Orientierung. Nach einer Weile kommt man zu den bereits weithin sichtbaren Alpgebäuden der Gias Costa (2050 m). Auch hier stehen die Uhren still, die meisten der Hütten und Ställe wurden aufgegeben und fristen ihr Schicksal, von einigen stehen nur noch die Grundmauern. Auffällig ist der riesige Felsbrocken, der in die Aussenwand an einem der Ställe integriert wurde. Die Trockensteinmauern wurden seinerzeit einfach um diesen herum aufgeschichtet, eine in den piemontesischen Alpen häufiger praktizierte Bauweise. Durch Weideland geht es weiter abwärts bis zu den renovierten Alpgebäuden der Gias Alpetta, die spärliche Pfadspur verliert sich bisweilen im hohen Gras, der Weg ist jedoch gut markiert und nicht zu verfehlen. Alternativ kann man zuvor noch einen lohnenden Schlenker machen. Von der Gias Costa quert man auf einer breiten und mit grossen Steinplatten gepflasterten Mulattiera (= Saumweg oder Maultierweg) das obere Vallone dell‘Alpetta bis zur Gias Pian delle Cialme (2024 m), eine überaus interessante historische Weganlage, die von den Einheimischen Strada della Pala (im lokalen Dialekt „Vì d‘la Pala“) genannt wird. Von dort steigt man am westlichen Rand des Tals zur Gias Alpetta ab. Die Gias Alpetta (1847 m) und die etwas unterhalb liegende Gias Primavera (1767 m) sowie die Gias Pian delle Cialme (2024 m) werden zwischen Juni und September von einer sympathischen Familie aus der Tiefebene bewirtschaftet. Auf den Weiden grasen glückliche Kühe, der Geruch von Mist und Dung liegt in der Luft. Ein heimeliger und gastlicher Ort, wo man sich sofort willkommen fühlt. Wenn jemand zuhause ist, dauert es nicht lange, bis man hereingebeten wird und der Espresso auf dem Herd steht. Drinnen am grossen Tisch ist es gemütlich, ringsherum uraltes Mobilar, auf einer Anrichte stehen Schüsseln mit Kartoffeln, Zwiebeln und Eiern, an den Wänden hängen Töpfe und Pfannen, das Ambiente ist ebenso einfach wie funktional. Sommer für Sommer sind sie mit ihren Kindern hier oben, die Tiere bestimmen ihren Lebensrhythmus, etwas anderes kennen sie nicht, sie brauchen nicht mehr, um glücklich zu sein. Morgens und abends werden die Kühe gemolken, die Milch wird sofort zu Käse und Butter weiterverarbeitet, alles wie anno dazumal. Tagsüber werden die Tiere auf die Weiden getrieben, dann wird der Stall sauber gemacht und der Mist weggefahren. Hier kann man authentisch und hautnah das Leben auf der Alp miterleben.
Von der Gias Alpetta geht es mehr oder weniger weglos über die Weiden hinab zu den bereits sichtbaren Ruinen der Gias Giaute (1772 m). Jenseits der Hütten beginnt ein besonders schöner Wegabschnitt, zwischen verstreuten Birken, Alpenrosen, Wacholder- und Blaubeerbüschen schlendert man gemütlich ohne nennenswerte Höhenunterschiede durch verwildertes ehemaliges Weideland, mit tollem Panorama auf die Bergkulisse des Val Grande di Lanzo, jeder Schritt ist hier ein Genuss. Dann schlängelt sich der lauschige Weg durch Lärchenwald hinab zur Alpe Invers (1650 m) am Talausgang des Vallone di Vercellina. Von dort erreicht man in Kürze die Häuser von Balmes (1604 m) und wandert in einer Viertelstunde auf dem Aufstiegsweg über Crest (1534 m) zurück nach Rivotti (1452 m).
- Mitte Mai bis Oktober
- T2/T3
- 6 Std.
- Höhenunterschied: ca. 900 m
- Ausgangs- und Endpunkt: Rivotti (Frazione di Groscavallo, 1452 m)
M | D | M | D | F | S | S | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
05 | 1 | 2 | |||||
06 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 |
07 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 |
08 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 | 23 |
09 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 |
M | D | M | D | F | S | S | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
09 | 1 | 2 | |||||
10 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 |
11 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 |
12 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 | 23 |
13 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 29 | 30 |
14 | 31 |